Leider müssen wir aus aktuellem Anlaß noch einen Blick auf die Schattenseite des Themas „Finanzen“ werfen. Die aktuelle Woche bot wieder einmal sehr aufschlußreiche Nachrichtenabende diesbezüglich:
Zuerst kam am letzten Dienstag (19.06.2012) die Meldung, daß US-Präsident Obama beim G-20-Gipfel in Mexiko von Deutschland forderte, Konjunkturprogramme in anderen EU-Ländern zu finanzieren (zu deutsch: Deutschland soll Geld geben, um in den anderen Ländern der EU die Wirtschaft anzukurbeln). Dazu hier ein interessanter Artikel von Spiegel online: http://www.spiegel.de/politik/ausland/g-20-gipfel-in-mexiko-europaeer- verpflichten-sich-zur-euro-rettung-a-839862.html
Natürlich sagte unsere Kanzlerin Merkel daraufhin „aber so einfach ist das nicht!“ (oder so ähnlich). Und damit sagte sie möglicherweise die Wahrheit, denn so einfach ist es wirklich nicht, den Deutschen ihr Geld aus der Tasche zu ziehen. Das darf man nicht so plump angehen, das muß man schon geschickter anstellen.
Und genau dafür wurde der „Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)“ erfunden. Denn den Euro kriegen wir doch ganz einfach „krisensicher“, wenn wir die wirtschaftlich stärkeren Nationen dauerhaft dazu verpflichten, den schwächeren finanziell unter die Arme zu greifen. Das ist doch nett, hilfsbereit und sozial, oder? Zwar gibt es einen alten Grundsatz, der sagt: „Wer Mißerfolge belohnt, erntet Mißerfolge!“, aber dem Euro zuliebe (ohne den wir ja immer noch in der Steinzeit leben würden – oder so ähnlich) ignorieren wir diese Weisheit lieber (zumindest wird so getan, als ginge es um den Euro, siehe unten). Stattdessen wird nun mit dem ESM eine Behörde geschaffen, die dauerhaft und in unbegrenzter Höhe von den finanzstärkeren EU-Ländern (also deren Bürgern!) Geld fordern darf, um es den finanzschwächeren zu geben (bzw. deren Banken), nach Abzug der nicht unerheblichen Verwaltungskosten, versteht sich. Das ist dann ein sogenannter „Stabilitätsmechanismus“. Man/frau könnte es allerdings auch „Europäischer Schuldenmechanismus“ nennen, denn Mißwirtschaft wird dadurch ausdrücklich belohnt (wer schlecht wirtschaftet, für den zahlen die anderen). Macht aber nichts, die Abkürzung bleibt auch in diesem Fall dieselbe: ESM.
Ich habe bereits in meinem Newsletter Nr. 55 (18.03.2012) über den ESM berichtet (Artikel Nr. 9 „Wohin mit dem Geld?“) und dort einige Links für weitere Informationen gesetzt. Die möchte ich hier der Einfachheit halber noch einmal aufführen und um einen aktuellen ergänzen. Es sind vor allem Youtube-Videos, die ganz einfach und verständlich zeigen, was hier gerade gespielt wird. Unbedingt anschauen:
Kurzinfo ganz aktuell: http://youtu.be/bQaTCNB1UWQ (2:40 min)
[youtube]http://youtu.be/bQaTCNB1UWQ[/youtube]
Wichtige Kerninfos: http://www.youtube.com/watch?v=d6JKlbbvcu0 (4 min)
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=d6JKlbbvcu0[/youtube]
Weitere Details: http://www.youtube.com/watch?v=13lkdkXzPFs (5 min)
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=13lkdkXzPFs[/youtube]
Ausführlich: http://www.youtube.com/watch?v=1Yk3bssj7b4 (2 1/2 Std.)
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=1Yk3bssj7b4[/youtube]
Deutschland zahlt dank ESM-Vertrag zukünftig 27% aller europäischen Schulden! Vielleicht denken Sie jetzt, daß man/frau ja wirklich nicht so blöd sein kann, sich auf so einen Schwachsinn einzulassen. Tja, tut mir leid – ist schon passiert: Der EU-Botschafter Peter Tempel hat bereits am 2. Februar 2012 den ESM-Vertrag für Deutschland unterschrieben. Und kaum ist das geschehen, wird schon bekannt, daß der ESM bereits am 1. Juli 2012 aktiviert werden soll. Mehr dazu: http://www.euractiv.de/284/artikel/esm-vertrag-unterzeichnet-005934
Das ist ein Jahr früher, als geplant. Und warum die Eile? Weil die spanischen BANKEN bereits da stehen und die Hand aufhalten: Sie brauchen mal eben 62 Milliarden Finanzspritze. Kleinigkeit, da zeigen sich die Finanzpolitiker dank ESM doch ganz großzügig: Den spanischen Banken wurden gestern gleich 100 Milliarden zugesagt (Meldung im ZDF/heute journal). Wir haben’s ja. Immerhin zahlt dann Deutschland allein 27% = 27 Milliarden daran. – Persönliche Anmerkung meinerseits: Das Geld sollten sie lieber mal in die Bildung in Deutschland investieren, aber dafür ist dann nichts mehr da…
Haben Sie es außerdem bemerkt? Es werden auch in Spanien, ebenso wie in Griechenland, nicht etwa Unternehmen oder gar die ganze Volkswirtschaft „gerettet“, es geht hier wie dort darum, daß die BANKEN keine Kreditausfälle zu verzeichnen haben. Auch weiterhin werden nur BANKEN gerettet! Komisch, es waren doch gerade die Banken mit ihren Zockerspielchen, die die Wirtschaft überhaupt erst in die Krise geführt haben, und die damals nach den Worten unser Kanzlerin Merkel (2009) „zur Rechenschaft gezogen“ werden sollten. So sieht diese „Rechenschaft“ also aus: Wir richten „Rettungsschirme“ ein, die mit Steuergeldern die Banken vor Verlusten bei ihren Zockerspielen schützen! Kein Wunder sind die „Kapitalmärkte“ so begierig darauf, daß der ESM installiert wird. Das wird dann Monopoly auf höchstem Niveau: Gehen Sie zum ESM und ziehen Sie weitere Milliarden ein…
Da macht das Spiel mit dem Geld wieder richtig Spaß! Denn wir sollten uns noch einmal daran erinnern, wer die „Kapitalmärkte“ eigentlich sind: Sie bestehen aus Banken (insbesondere Großbanken), Hedgefonds (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Hedgefonds), Versicherungen und allerlei Investmentfirmen. Das sind alles Unternehmen, die eigentlich NICHTS produzieren. Sie stellen nichts her, sie bieten keine wirklichen Dienstleistungen, sie haben keinen wertvollen Beitrag zum Leben – sie existieren allesamt nur durch das Versprechen, UNSER GELD sicher aufzubewahren und obendrein „vermehren“ zu können. Daher bekommen sie von uns unser Geld in Form von Spareinlagen, Aktien, Rentenpapieren, Geldanlagen aller Art oder als Kreditzinsen. Und damit wird dann gespielt: Es wird verliehen, investiert, wieder abgezogen, umgeschichtet und fleißig spekuliert – immer mit dem Ziel, die Gewinne aus der Arbeit anderer abzuschöpfen. Wie das genau funktioniert, habe ich in meinen Newslettern Nr. 50 (September 2011) und 54 (Januar 2012) am Beispiel der Nahrungsmittelspekulation erläutert.
Die „Kapitalmärkte“ leben also von einem beständigen Aderlaß, den wir ihnen sogar FREIWILLIG geben, denn WIR „legen unser Geld bei ihnen an“ (in der Hoffnung, auch ein bißchen mit abschöpfen zu dürfen). Dabei halten sie ihr Versprechen gar nicht: Die ganze derzeitige Krise ist dadurch entstanden, daß unser Geld weder sicher aufbewahrt, noch vermehrt wurde. Es wurde schlicht verzockt, verspielt, verliehen an Empfänger, von denen nichts mehr zurück kommt. Damit wir das nicht allzusehr zu spüren bekommen, indem sich z.B. unsere Spareinlagen, Rentenpapiere und Aktien „in Luft auflösen“ – und wir in der Folge das VERTRAUEN in diese „Kapitalmärkte“ verlieren (denn dann wären sie erledigt), deshalb werden nun unsere Steuergelder genommen, via ESM in die durch Fehlspekulation entstandenen Löcher gestopft, so daß unsere Versicherungen und Spareinlagen vorerst (!) weiterbestehen. Schön, nicht? De fakto ist das angelegte Geld längst futsch. Doch damit das niemand merkt, nimmt man unsere Steuergelder, um die verschiedenen Geldanlagen zurückzahlen zu können. Gemeinerweise werden dabei die Steuergelder von ALLEN genommen, um die Einlagen jener zu sichern, die überhaupt genug hatten, um Versicherungen, Aktien, Rentenpapiere zu kaufen. Und da wundern wir uns, weshalb die Armen ärmer und die Reichen reicher werden…
Ganz abgesehen davon, daß dieses Spiel ungerecht ist, wird es obendrein den Schaden nur vergrößern. Die Summen, die in irgendwelche „Finanzlöcher“ gepumpt werden, werden immer größer (Hunderte Milliarden sind plötzlich Kleinigkeiten) und die Schuldenlast, die wir unseren Nachkommen aufbürden, wird immer gigantischer. Das ist in hohem Maße unethisch. Was übrigens unser Ex-Bundespräsident Wulff in einer Rede am 24. August 2011 in Lindau sehr offen ausgesprochen hat, kurz bevor er dann zurückgetreten wurde (ich habe Auszüge aus dieser Rede in meinem Newsletter Nr. 55 vom März 2012 veröffentlicht – für alle, die es interessiert, hier nochmal der Link zur gesamten Rede: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Christian-Wulff/Red en/2011/08/110824-Wirtschaftsnobelpreistraeger.html). Daher ist es eigentlich ein Unding, und insbesondere für Deutschland, das größte „Geberland“ im ESM-Pakt (wie gesagt, wir Deutschen zahlen allein 27% der zukünftig notwendigen „Rettungsgelder“!), blanker Unsinn.
Mit etwas Verzögerung sind dann doch ein paar deutsche Politiker, zunächst die der GRÜNEN, aus dem Abgeordneten-Schlaf aufgewacht und haben beim Verfassungsgericht geklagt, daß das Parlament vor dieser Unterzeichnung des ESM-Vertrags nicht ausreichend informiert wurde. Und das war die zweite interessante Meldung vom vergangenen Dienstag: Das Verfassungsgericht hat bestätigt, daß das deutsche Parlament tatsächlich nicht ausreichend über den ESM informiert wurde! Es liegt also eine höchstrichterliche Bestätigung vor, daß unser Parlament und damit wir alle über den Tisch gezogen wurden. Ätschbätsch, reingefallen, gelinkt – und nun wird zur Kasse gebeten!
„Und?“ fragt sich da der staunende Nachrichtenbeobachter, „was passiert jetzt?“ Da stellt ein Verfassungsgericht fest, daß ein Parlament und damit ein ganzes Volk über den Tisch gezogen wurde. Das muß doch Folgen haben! – Am Dienstag sah es noch nicht danach aus. Da wurde nach einer Meldung von knapp 15 Sekunden wieder zur Tagesordnung übergegangen. Es gab keinen erbosten Aufschrei, keine ausführliche Dokumentation, kein stürmisches Rauschen im Blätterwald der Presse. Nichts. Der ESM-Vertrag war ja schon unterzeichnet und sollte in eineinhalb Wochen umgesetzt werden. Punkt. Selbst die GRÜNEN, die ja die Beschwerde beim Verfassungsgericht eingebracht hatten, einigten sich in der Folge doch mit Regierung und SPD, das „Zustimmungsgesetz zum ESM-Vertrag“ zu unterstützen. Damit ist die notwendige Zweidrittelmehrheit gegeben, um das Ganze endgültig auf den Weg zu bringen. Wären da nicht die LINKEN gewesen: Die kündigten gestern eine Klage vor dem Verfassungsgericht an.
Und da geschah plötzlich etwas ganz erstaunliches: Das Verfassungsgericht erbat sich Zeit, die Angelegenheit prüfen zu können, und wandte sich an Bundespräsident Gauck mit der Bitte, die bereits beschlossenen Gesetze zum ESM-Vertrag und Fiskalpakt vorerst noch nicht zu unterzeichnen. Und Gauck stimmte dem zu und unterzeichnete nicht. So liegt das Ganze im Moment tatsächlich noch auf Eis, denn ohne Unterschrift des Bundespräsidenten können die Gesetze nicht umgesetzt werden. Gibt es also doch noch eine Chance, dieses Wahnsinnsspiel zu stoppen?
DIE GIBT ES! Denn es regt sich schon seit geraumer Zeit weiterer Widerstand! Auch die Initiative „Mehr Demokratie“ organisiert aktuell eine Verfassungsbeschwerde gegen den ESM-Vertrag unter der Führung von Herta Däubler-Gmelin, langjährige Abgeordnete der SPD und ehemalige Justizministerin, sowie Prof. Christoph Degenhardt von der Universität Leipzig. Zwei Fachleute also, die offenbar schon lange sehen, was da auf uns zukommt. Diese durch Spenden finanzierte Verfassungsbeschwerde könnte den ESM-Pakt, der sowohl nach deutschem Recht, als auch vor dem Hintergrund der bei der Euro-Einführung geschlossenen Verträge auf höchst wackeligen juristischen Füßen steht, möglicherweise noch kippen.
Je mehr Menschen sich an dieser Verfassungsbeschwerde beteiligen, desto besser! Die Initiative „Mehr Demokratie“ hat dafür ein Beschwerdeformular online gestellt mit einer Vollmacht an Herta Däubler-Gmelin und Prof. Christoph Degenhardt zur Vertretung beim Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Diese Beteiligung ist KOSTENLOS und es entstehen für alle, die sich beteiligen, keine weiteren Verpflichtungen daraus. Doch die Verfassungsbeschwerde bekommt umso mehr politisches Gewicht, je mehr BürgerInnen sich daran beteiligen. 12.000 sind es schon! Mehr dazu finden Sie hier:
http://www.verfassungsbeschwerde.eu/
Ich habe mich an dieser Verfassungsbeschwerde auch beteiligt und möchte Sie dazu einladen, dies ebenfalls zu tun. Die Zeit drängt, es ist gerade noch eine Woche Zeit dafür. Machen Sie mit!
Auf der Internetseite der Initiative „Mehr Demokratie“ finden Sie übrigens auf Wunsch genaue Informationen. Über den folgenden Link finden Sie z.B. den Originaltext des ESM-Vertrags und des Fiskal-Vertrags: http://verfassungsbeschwerde.eu/informieren.html
Sie können also selbst überprüfen, daß die Informationen dieses Artikels sowie der obigen Links Hand und Fuß haben. Was mit ESM auf uns zu kommt, ist kein schlechter Scherz, sondern könnte bald bittere Realität. Wenn wir es nicht verhindern. Daher meine Bitte:
MACHEN SIE MIT BEI DER VERFASSUNGSBESCHWERDE!
Und geben Sie diesen Artikel bitte weiter. Vielen Dank!
Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht: Kommt das Aus für Rettungsschirm und Fiskalpakt?…
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